Stadtentwicklung in Regensburg – In welcher Stadt wollen wir leben?

Zehn Thesen für eine nachhaltige Stadtentwicklung in Regensburg - Diskussionspapier

 

Präambel

Unsere Stadtgesellschaft hat das Recht in eigener Verantwortung „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln.“ (GG Art. 28, Abs.2).

In diesem Sinne sind auch Bauleitpläne von der Gemeinde in eigener Verantwortung aufzustellen … (BauGB §2, Abs. 1). „Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind (Abwägungsmaterial), zu ermitteln und zu bewerten.“ BauGB §2, Abs.3).

Dieses Abwägungsgebot bei der städtebaulichen Entwicklung von Regensburg erfolgte nach Auffassung des Architekturkreises in den letzten Jahren nur eingeschränkt und in einer nicht alle gesellschaftlichen Schichten berücksichtigenden Art und Weise.

Der Architekturkreis Regensburg möchte zu einem Strategiewechsel in der Stadtentwicklung beitragen und stellt folgende 10 Thesen zur Diskussion:

1. Die Stadt Regensburg braucht eine vorausschauende Stadtentwicklungsplanung
Leitziele sind wichtig, um Entwicklungen zu steuern und Entscheidungen zu treffen. Diese Ziele müssen in einem Diskussionsprozess mit der Stadtgesellschaft gefunden werden (Charta von Regensburg). Wichtige Fragestellungen dabei sind: Wo im Stadtgebiet können und sollen mittel- und langfristig Entwicklungsflächen definiert werden und wie sollen diese aussehen? Welche Rahmenbedingungen müssen für die Entwicklung dieser Bereiche zwingend erfüllt sein?

Das Ziel sollte -wo immer möglich- die gemischte lebendige Stadt sein.

2. Der Stadtrat ist der Akteur und bestimmt die Entwicklung.
Als Entscheidungsgrundlage müssen quartiersbezogene Strukturplanungen mit Vorgaben zum Nutzungsmix, Bewohnerstruktur, Erschließung etc. existieren, an denen sich der Vorhabensträger messen muss.

3. Wohnen in der Stadt muss vielfältig und für möglichst alle bezahlbar sein.
Vielfalt entsteht über die Beteiligung unterschiedlicher Protagonisten(Genossenschaften, Bauherrngemeinschaften, Bauträger, städtische Baugesellschaft usw.). Eine kleinteilige Parzellierung für unterschiedliche Käufer in den zu entwickelnden Flächen schafft Möglichkeiten für die verschiedenen Akteure. Die Stadtbau GmbH wird dabei wieder zum Vorreiter für den kostengünstigen und sozialen Wohnungsbau. Der Anteil an geförderten Wohnflächen und damit an Mietwohnungen zu bezahlbaren Preisen muss deutlich steigen. Ferner sind Modelle zu entwickeln, die auch mittleren Einkommensschichten die Möglichkeit geben, Eigentum zu erwerben („Regensburg Modell“) Die Mischung im Quartier ist dabei wichtig! Wir halten einen Anteil von bis zu 50% der geförderten Wohnmodelle an der Gesamtfläche bei intelligenter Planung für möglich.

4. Die Entwicklung unserer Stadt kann nicht unreguliert dem freien Markt überlassen werden.
Ein Wettbewerb der Konzepte nicht des Preises ist das Mittel der Wahl. Wichtig sind dabei seitens der Stadt definierte Konzeptvorgaben, die auch soziale und ökologische Aspekte beinhalten müssen. Der private Vorhabensträger wird gefordert und benennt den Mehrwert seines Projekts für die Stadtgesellschaft.

5. Die verantwortlichen Gremien der Stadt müssen der Preisspirale gegensteuern.
Grund und Boden sind auch in Regensburg vermehrt Gegenstand der Spekulation. Bauliche Entwicklungsflächen wechseln bis zur Realisierung einer Baumaßnahme mehrfach den Besitzer. Dies treibt aufgrund der hohen Nachfrage den Bodenpreis weiter in die Höhe. Der Stadtrat sollte daher prüfen lassen, inwieweit das Vorkaufsrecht der Kommune bei Grundstücksveräußerungen ausgenutzt werden kann. Vergabe von Grundstücken in städtischem Besitz an Vorhabensträger sollten nur noch im Erbbaurecht erfolgen. Privaten Investoren soll ein Mietwohnungsanteil von bis zu 50% abgefordert werden. Intelligente, ergebnisbezogene Ausschreibungen städtischer Grundstücke (nicht nach Höchstpreisgebot) auf der Grundlage von Konzeptvorgaben können auch hier preisdämpfend wirken.

6. Die städtebauliche Planung und Entwicklung von Quartieren muss den reinen Siedlungsbau ersetzen.
Ziel muss stets eine Nutzungsmischung und Vielfalt im städtischen Quartier sein. In Verdichtungsschwerpunkten sollen Erdgeschosse von Neubauten mit Bezug zum öffentlichen Raum möglichst 4,00m Geschosshöhe besitzen um eine gewerbliche Nutzung auch in kleinen Einheiten zu ermöglichen. Grenzen Aufenthaltsräume einer Wohnnutzung im Erdgeschoss direkt an öffentlichen Raum ist dieses Geschoss als Hochparterre auszuführen.

7. Die bauliche Nachverdichtung muss auch qualitative Kriterien erfüllen und auf die jeweilige Situation reagieren.
Möglichkeiten zur baulichen Nachverdichtung müssen qualitativ und nicht quantitativ diskutiert werden. Zur Beurteilung von Nachverdichtungsvorhaben durch die Entscheidungsträger müssen nachvollziehbare, transparente Kriterien definiert werden. Wichtige Freiraum- und Grünstrukturen müssen erhalten bleiben oder ergänzt werden (z.B. Alleen ), um angemessene Lebensbedingungen auch in der verdichteten Stadt zu gewährleisten und den strukturellen Charakter des Quartiers zu bewahren. Auch flächenmäßig kleine Freiraum- und Grünstrukturen können dabei von großer Bedeutung sein. (Beispiel: Vorgärten in Wohnquartieren der Gründerzeit und der 50/60- Jahre, markante Straßenbäume, usw.).

8. Der öffentliche Raum ist entscheidend für die Lebensqualität in einem Quartier.
Er muss in öffentlicher Hand bleiben und von dieser entwickelt und realisiert werden. In einer Zusammenarbeit der verschiedenen Ämter (Gartenamt, Stadtplanungsamt, Tiefbauamt) mit externen Fachleuten bis zur Realisierung – idealerweise auf Basis eines freiraumplanerischen Wettbewerbs- ist ein besonderes Augenmerk auf die tatsächliche Umsetzung auch gestalterischer Qualitäten zu legen. Realisierungen unter Federführung nur eines Amtes (wie bisher häufig praktiziert) sind bei den zunehmend komplexen Anforderungen an den öffentlichen Raum nicht zielführend. Ist zur Entwicklung nutzbarer Freiräume eine Abtretung von in privater Hand befindlichen Flächen erforderlich, kann über eine höhere GFZ eine Kompensation angeboten werden.

9. Die konsequente Entwicklung neuer Verkehrskonzepte, ein höherwertiger ÖPNV und neue Mobilitätskonzepte haben Vorrang vor dem MIV.
Die existierende Stellplatzsatzung erlaubt den genehmigenden Stellen kein flexibles Reagieren auf die Anforderungen und Notwendigen bei der jeweiligen Baumaßnahme. Die gewollte Verknappung von Stellplätzen im innerstädtischen Bereich zugunsten von Quartiersgaragen ist so nicht möglich. Die Stellplatzsatzung sollte daher aufgehoben und durch ein Strategiepapier ersetzt werden, dass entsprechende Zielsetzungen für die Stadtbereiche enthält. Hierbei ist z.B. Quartiersgaragen der Vorzug vor individuellen für Folgenutzungen nicht geeigneten Tiefgaragen zu geben. Das kostenlose Parken im öffentlichen Raum ist weiter deutlich einzuschränken um ein Ausweichen von Dauerparkern auf diese Flächen zu verhindern und öffentlichen, nutzbaren Raum zurückzugewinnen.

10. Die Möglichkeiten der Qualitätssteuerung und -sicherung in Architektur und Städtebau müssen konsequent genutzt werden.
Städtebauliche und objektbezogene Wettbewerbe zeigen alternative Möglichkeiten auf und sorgen für eine Qualitätsdiskussion auch bei der Festsetzung der Zielvorgaben. Nach dem Preisgericht sollte die Stadtplanung zusammen mit der Jury/Vorsitz des Preisgerichtes die wesentlichen Entwurfsmerkmale der Preisträgerentwürfe herausarbeiten und als verbindliche Leitlinien für die Weiterbearbeitung festschreiben. Die Begleitung des Projektes durch die Planungsphasen bis zur Realisierung durch dieses Gremium ist notwendig(Planungsamt/Preisgericht/Gestaltungsbeiratsmitglied). Für die auf einen städtebaulichen Entwurf folgenden objektplanerischen Teilrealisierungen sind möglichst ebenfalls Wettbewerbe auszuloben oder die Qualität der Einzelprojekte ist anhand einer Gestaltsatzung bzw. einer Beurteilung durch den Gestaltungsbeirat zu überprüfen.

aufgestellt für den Architekturkreis Regensburg
Andreas Eckl
Stefan Schretzenmayr
Christian Kirchberger
Joachim Wienbreyer
Thomas Eckert
Uli Dotter
Martin Köstlbacher
Bernd Rohloff

März 2018

Das Diskussionspapier als pdf-Download

Zurück
Zurück

“Kommunikative Räume - am Beispiel der Fakultät Architektur in Regensburg”

Weiter
Weiter

“Neue Architektur im und am Welterbe - Infrastrukturbauten”